Südtiroler Charmeoffensive

 

Wenn ein Kind den Wunsch oder vielleicht sogar die Vision hat, sich einmal im Alter von 60 Jahren auf einen Bergbauernhof zurückzuziehen und Haflinger zu züchten, den Traum vom Bergbauernhof und der Haflingerzucht aber bereits mit 40 Jahren realisiert hat, dann fragt man sich schon, was dieser Mensch macht, wenn er im kommenden Jahr 60 Jahre alt wird.

Die Rede ist von Sepp Waldner, Oberwirt aus Marling, Haflingerzüchtern als Kollege und großer Hengsthalter bekannt, anderen als Geschäftsmann, Gastronom, Weinbauer, Rosenzüchter etc., facettenreicher Lebenskünstler, Ästhet und allem und allen Schönen aufgeschlossen. Funktionären des Südtiroler Pferdezuchtverbandes wird er allerdings auch noch als Querdenker in Erinnerung sein, der keine Auseinandersetzung scheute, um seine persönliche Vorstellung von der Haflinger Pferdezucht in die Tat umzusetzen. Das Schauen über den Südtiroler Tellerrand hinaus war immer wichtig. Sein väterlicher Freund, der unvergessene Haflingerpapst Otto Schweissgut, so wie dessen Sohn Hannes (Präsident des Welthaflingerverbandes) waren seine großen Lehrmeister und Förderer in Sachen Haflinger. Haflinger Rasse-Experten wie Dr. Erich Messner, Dr. Gerhard Rainer (Präsident des Haflinger Europaverbandes) sowie Dott. Andrea Sgambati haben Sepp Waldner ebenfalls mit Rat und Tat zum Wohle der Zucht unterstützt.

Dank Sepp Waldner wurden private Haflinger-Deckstationen in Südtirol zugelassen. Durch den Einsatz von erstklassigen Vererbern wie Antinor, Andrit II, Astrat II, Attila, Steinwind, Marlon, Waldess, Sterntänzer, Novaris, Minos, Wintersturm, Sternsinger, Barolo, Akurat … erlebte die Südtiroler und Italienische Haflingerzucht eine Renaissance und steht heute mit an der Weltspitze.

Der `92 geborene Antinor nach Afghan II aus der Merico nach Winterstein ist eine lebende Legende, die 66 gekörte Söhne aufweist und viele Nachzuchtsieger zu verzeichnen hat. Z.Zt. steht Antinor bei Walter Toff auf der Deckstation Hollenberg in Maria Rain in Kärnten.

Minos von Maestro aus der Assunta von Aberlord (Züchter Karl Heinz Arens) steht z.Zt. in Seis am Schlern und hatte in der 2. Decksaison über 60 Bedeckungen. Der erste und zweite Fohlenjahrgang waren vielversprechend.

Sterntänzer wurde nach einem Pachtjahr auf dem Kiefferhof an den Kiefferhof Bölkum verkauft. Seine Nachzucht ist erstklassig sowohl in Südtirol als auch im Rheinland und darüber hinaus. Sein bewegungsstarker Sohn Sternsinger deckte `09 auf dem Schmiedhof in Mölten/Südtirol.

Auf der Waldner Hengststation auf Schloss Baslan deckten `09 die Waldner Hengste Novaris, Wintersturm (Reservesieger der Euro Schau `08 sowie Sieger der Hengstleistungsprüfung `09), Akurat, sowie der angepachtete Hengst Barolo von Barkas aus der Abba von Liz Aberlord (im Besitz von Wolfgang Kreikenboom).

Kommunizieren und Kooperieren hat bei Sepp Waldner einen großen Stellenwert, und so nimmt es nicht wunder, wenn man beim Oberwirt in Marling beispielsweise den Tierzuchtexperten und ausgewiesenen Pferdefachmann, früher auch Haflingerzüchter und Hengsthalter, den beamteten Veterinärmediziner Dr. Erich Messner trifft. Der Bruder von Bergsteiger Reinhold hatte nach seinem Studium einen Ausbildungsplatz in Üdem bei Dr. Claasen in der klassischen Pferdezucht bekommen, und war fasziniert von der Treffsicherheit bei Eierstockdiagnosen, die er dann auch erlernt und in Südtirol eingeführt hat. Als internationaler Richter ist er ein gerne gesehener Mitstreiter bei Pferdeveranstaltungen. Oder man läuft dem inzwischen achtzigjährigen Franz Graiter, dem langjährigen Obmann und heutigen Ehrenobmann des Tiroler Pferdezuchtverbandes über den Weg. Lustig und vor allem laut wird es beim "Oberwirt", wenn dann auch noch die Herren Hans Preinerstorfer vom Reiterhof Kainzleiten aus Altmünster und Gespannweltmeister Georg Moser aus Seekirchen auftauchen, die Hengste von Sepp Waldner einfahren und für Schauen entsprechend vorbereiten.

Die Südtiroler Charmeoffensive könnte man natürlich auch am Kastelruther Spatzen Norbert Rier oder an einem der erfolgreichsten Wintersportler Italiens, dem Rennrodler und Haflingerzüchter Armin Zöggeler oder an vielen anderen kleinen Züchtern wie beispielsweise Josef und Georg Höller aus Signat festmachen. Wichtig ist vor allem, dass mit den Südtirolern mehr Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft in die Haflingerzucht einkehrt und Dogmatismus zumindest kritischer gesehen wird. Marketing für unsere Haflinger ist nämlich weit mehr als das Herumreiten auf einem Alleinstellungsmerkmal.

Eberhard Spindler